In Hinter den Kulissen

Ein Aufruf zu einer Blogparade mit dem Thema: „DIE WELT BRAUCHT FRAUEN – WAS TUST DU, UM FRAUEN ZU STÄRKEN?“ kann mich nur ansprechen. Da fällt mir noch viel mehr ein, als ich hier in Worte fassen kann. Es gibt tatsächlich Frauen, die überzeugt sind, dass es keinen Feminismus benötigt. Eigentlich ist es doch viel netter, wenn der Mann die Kohle heranschafft und die Frau sich mit Kindern, Haushalt und gut aussehen beschäftigt. Für manche Frauen mag das zutreffen. Für mich definitiv nicht. Und schon gar nicht, wenn es mich in eine gezwungene Abhängigkeit von meinem Partner bringt. 

Microfeminismus

Ein Ausdruck, der mir gerade immer wieder über den Weg läuft und die kleinen Schritte im Alltag zusammenfasst, mit denen Frauen gestärkt werden können.

ÖPNV

Mir ist es ein Rätsel warum manche Männer in den öffentlichen Verkehrsmitteln so sitzen müssen, dass ihre Genitalien einen eigenen Sitzplatz brauchen. Wenn ich das sehe, setze ich mich neben sie und stelle meinen Rucksack zwischen meine Beine. Vielleicht ein bisschen albern, auf den ersten Blick, aber warum denken Männer, dass sie ein Recht haben, mehr Platz zu brauchen als Frauen? Sitzen zwei Männer nebeneinander schaffen sie es auch den Raum fair zu teilen.

Ausweichen

Ich habe vor ein paar Jahren einen Artikel über den Selbstversuch einer Journalistin gelesen, die 60 Minuten lang mit einer versteckten Kamera durch eine Innenstadt gelaufen ist. Ihr Fazit: Zu viel ungewollter Körperkontakt mit Männern und nicht eine Entschuldigung fürs Anrempeln. (https://www.spiegel.de/panorama/man-bumping-auf-gehwegen-was-passiert-wenn-eine-frau-eine-stunde-nicht-ausweicht-a-cb66e650-9d4e-485b-ada9-694af699339b)

Es ging sehr zu Ungunsten der Autorin dieses Artikels aus. Seit der Lektüre dieses Artikels achte ich verstärkt auf meine Reaktion, wenn mir jemand entgegen kommt und springe seltener zur Seite. Stattdessen bemühe ich mich, das Umfeld zu beachten. Für wen ist es leichter, einen Schritt zur Seite zu machen? Fällt das Urteil zu seinen Ungunsten aus, gehe ich nur zur Seite, wenn ich gerade meine Ruhe will. Bisher hat es allerdings noch nie Stress gegeben.

Die meisten Männer sehen gar nicht, dass sie da ein Privileg haben. Mein Mann konnte es auch kaum glauben und hat ebenfalls angefangen, darauf zu achten. Er musste zugeben, dass es tatsächlich in seiner ganz subjektiven persönlichen Studie zu ähnlichen Ergebnissen kam.

Formulare kreativ ausfüllen

Mit Kindern kommt ein neues Hobby, welches nicht wirklich Spaß macht: ständig sollen sie angemeldet werden, das Einkommen muss nachgewiesen werden, um Beiträge zu berechnen und jede Menge anderer Kram, für deren Papier benötigt wird. In den meisten gibt es eine Spalte für die Informationen über die Mutter und eine für den Vater. Dabei wird natürlich der Vater zuerst genannt.

Geht gar nicht!

Zugegeben, wir führen eine sehr klassische Beziehung, zumindest nach außen. Unsere Möglichkeiten, diese Formulare zu füllen, sind begrenzt. Sie sinnvoll zu ergänzen, in der Hoffnung, es fällt mal jemandem auf, sind hingegen größer. Oft sind sie schließlich nicht nur sexistisch, sondern auch noch auf andere Weisen diskriminierend.

Gendergerechte Sprache

Ein emotionales Thema, ich weiß. Mir fällt dazu immer ein Rätsel ein, welches davon ausgeht, dass es nur zwei Geschlechter und heterosexuelle Beziehungen gibt. Aus der Perspektive ist es nicht gut, um genau zu sein sogar ziemlich schlecht. Wenn man diesen Punkt aber ignoriert, zeigt es den Kern des Problems:

Ein Vater und sein Sohn haben einen schweren Unfall. Der Vater stirbt und der Sohn landet schwer verletzt in der Notaufnahme. Der hinzugezogene Arzt sagt: „Ich kann den Jungen nicht behandeln. Er ist mein Sohn.“

In welchen verwandtschaftlichen Verhältnis steht der Arzt zu dem dem Kind?

Der Arzt ist eine Ärztin. Mit zwei Punkten und zwei Buchstaben wird plötzlich alles klarer. Da in dem Rätsel nur die männliche Berufsbezeichnung verwendet wird, ist das erst auf den zweiten Blick erkenntlich und, wie zuvor erwähnt, man muss auch an anderen Stellen ignorant sein.

Die Argumente gegen das Gendern sind vielfältig:

  • Texte werden länger, wenn man immer alle Geschlechter erwähnt
  • Sprache wird dadurch viel umständlicher und sperriger
  • Das generische Maskulinum meint doch alle Geschlechter

Mein absolutes Highlight sind dabei Kommentare wie:

  • Davon wird die deutsche Sprache verhunzt
  • Das wurde doch immer so gemacht
  • Die Weiber sollen sich nicht so anstellen

Es gibt Formulierungen, mit denen es gelingt, dass Texte gar nicht oder nur wenig länger werden. Daran kann man sich gewöhnen. Mir gelingt das auch nicht immer, aber ich werde immer besser. Mein aktuelles Lieblingsbeispiel dazu ist der Spruch, der nach Werbung für Medikamente im Fernsehen kommt: „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ Daraus wurde: „… Ihre Ärztin oder ihren Arzt oder ihre Apothekerin oder ihren Apotheker.“ Da jede Sekunde zählt und besonders bei Werbung viel Geld kostet, bewundere ich die Menschen, die diesen Spruch ein sprechen müssen. Angesichts dessen verstehe ich auch, warum dagegen eine Abneigung besteht.

Doch warum wurde keine schlauere Formulierung gewählt? „… fragen sie in Ihrer Arztpraxis oder Ihrer Apotheke“ oder „… fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Apotheker“ sind zwei Optionen, die den Text nur wenig verlängert hätten.

Das Argument, dass es schon immer so gemacht wurde, ist für mich ein Zeichen von völliger Ignoranz und Fortschrittsverweigerung. Solange Frauen viele Berufe nicht ausüben durften, nicht wählen und komplett von ihren Männern abhängig waren, kamen sie schlicht an vielen Stellen nicht vor. Warum hätten sie erwähnt werden sollen? „Frau Doktor“ war die Ehefrau des Arztes und selten die Ärztin.

Fühle Dich herzlich eingeladen, an Katharinas Workshop teilzunehmen. Alle Informationen dazu findest Du hier: Erinnerungen an Schwangerschaft und Geburt verewigen*

Erziehung

Meine Schwiegermutter war eine Feministin der ersten Stunde, würde ich behaupten. Sie hat in ihren Zwanzigern einige Dinge getan, die damals zum Teil wenigstens in einer rechtlichen Grauzone, wenn nicht strafbar waren, um Frauen zu ihrem Recht zu verhelfen und über ihren Tod hinaus das Frauenhaus in ihrer Stadt unterstützt. Ihren Söhnen hat sie davon viel mitgegeben. Deren Erziehung und der Haushalt waren trotzdem komplett in ihrer Hand und sie hat sich zusätzlich noch in die klassischen Themen ihres Mannes „eingemischt“. 

Meine Eltern sind einige Jahre jünger als meine Schwiegereltern und haben beide den gleichen technischen Beruf studiert. Sie haben uns eine andere Form der Beziehung vorgelebt. Sowohl meine Oma als auch meine Uroma waren lange Zeit alleinerziehend. In der Familie meiner Mutter war von daher die Mutter schlicht für alles zuständig. Auch dafür, ausreichend Geld zu erarbeiten. 

Vermutlich erleichtert es uns unsere eigene Erziehung, eine möglichst gleichberechtigte Beziehung zu führen – was uns sicher auch nicht immer gelingt – und unseren Kindern vorzuleben, dass das biologische Geschlecht nicht zwingend eine festgelegte Rolle innerhalb einer Beziehung mit sich bringt. 

Die beiden sind gerne mal irritiert, wenn sie woanders waren.

„Der Papa hat die ganze Zeit vor dem Fernseher gesessen und die Mama hat gekocht, die Wäsche gemacht und mit uns gespielt. Gleichzeitig. Der war nicht krank. Warum hat der nichts gemacht?“
Dann gibt es von uns immer Ideen, wie dass der Papa vielleicht doch krank oder sehr müde ist.
„Aber das ist immer so. Ich glaube, ich weiß, woran das liegt. Der ist faul.“

Faul würde ich das jetzt nicht nennen, aber … 

Das es oft auch die Mütter sind, die verhindern, dass sich die Partner mit einbringen, ist eine noch nicht abschließend verifizierte These von mir: Warum Gleichberechtigung (auch) an Müttern scheitert

Egal, wie ich denke, ein wichtiger Weg, die Rechte von Frauen zu stärken, ist, unsere Kinder starkzumachen. Und zwar alle Kinder unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Bildung. Wer gelernt hat, Grenzen zu setzen und Grenzen zu akzeptieren, kann auch für sich selbst und ihre/seine Rechte einstehen und sie anderen zugestehen. 

Weitere Gedanken und Links zum Thema

Frauen und Selbstständigkeit

Als Mentorin bei den MomPreneurs* unterstütze ich ein, wie ich finde, wertvolles Netzwerk aus Frauen, die Mütter und selbstständig sind. Frauen gründen anders und Mütter stehen nochmal vor anderen Schwierigkeiten. Oft werden sie belächelt, die Selbstständigkeit als Hobby abgetan. Tatsächlich ist es für viele ein Weg zwischen unsicherer Betreuung, kranken Kindern und dem Patriarchat ihrer Berufung Raum zu geben. Es ist nach wie vor in unserer Gesellschaft nicht vorgesehen, dass die Mutter arbeitet, schon gar nicht Vollzeit und aktuell wird es eher schlimmer als besser.

Frauen in männlichen Hoheitsgebieten

„Wenn Männer Care-Arbeit leisten sollen, dann müssen die Frauen aber auch zum Militär und auf den Bau.“ Bei dem Spruch geht mir kurz die Hutschnur hoch. Da verwechselt jemand Gleichberechtigung mit Gleichmachen. Die starken Männer haben aber lieber mit vierzig einen Bandscheibenvorfall und lassen sich von der schwachen Frau pflegen, die dann Techniken einsetzt, um den schweren Sack zu bewegen. Jetzt stell sich aber einer vor, die Frau wäre an der Front?

Meine Oma hatte, nach dem Ableben ihres Lebensgefährten, eine sehr klare Meinung zu dem Thema: „Was soll ich mit einem Mann? Ich bin doch nicht blöd und hole mir nochmal so einen Pflegefall ins Haus.“ Ich finde, das fasst es ziemlich gut zusammen. Manche Männer, insbesondere die, von denen solche Sprüche kommen, haben exakt null Interesse an Gleichberechtigung, weil sie sich dann mit den vermeidlich schwächeren Frauen messen müssten.

Die Ideen anderer

Bei meiner Recherche zu diesem Artikel bin ich über verschiedene Artikel gestolpert, die ich spannend fand.

  • Neue Väter in der heutigen Gesellschaft
    Die Autorin ist eine Frau, was mich zunächst zu der Annahme brachte, sie würde das Thema anders angehen. Die Idee, dass Männer aufgrund ihrer Gehirnstruktur nicht in der Lage sind, anfallende Aufgaben im Haushalt zu erkennen und ordentlich auszuführen, finde ich interessant. Zum einen habe ich gelernt, dass wissenschaftliche Erkenntnisse oft unbewusst auf dem beruhen, was erwartet wird, und ich lebe mit einem Gegenbeispiel seit fast zwanzig Jahren zusammen. Um die These weiter in Zweifel zu ziehen, muss ich mich nur in unserem Freundeskreis und in der Familie umsehen. Überall dort, wo Gleichberechtigung gelebt wird, sind die Männer dazu in der Lage. Für mich ist das ein klarer Fall von strategisch eingesetzter Inkompetenz.
  • Care-Arbeit: Eine unsichtbare Form patriarchaler Gewalt?
    Bedingt durch die Care-Arbeit haben Frauen ein viel höheres Risiko einige Krankheiten zubekommen. Beim Lesen dieses Artikel ist mir etwas bewusst geworden, was es vorher nicht war. Die Wirkung von Reinigungsmittel auf den Körper.
  • Care-Arbeit, Gleichstellung und der Blick auf Männer
    Die große Frage, was geschehen muss, damit sich Männer mehr an Care-Arbeit beteiligen (können).
  • Manifest für eine selbstbestimmte Geburtskultur
    Darüber bin ich zugegebenermaßen nicht erst jetzt gestoßen, sondern durfte es als eine der Ersten lesen. „Der Körper der Frau gehört dem Mann, weil sie nicht in der Lage ist, selbst darüber zu bestimmen.“ Diese Aussage spiegelt sich nicht nur in den Diskussionen über Abtreibungen (vgl. § 218 StGB) und Vergewaltigungen (Nein heißt NEIN!) wider, sondern auch in der Geburtshilfe. Auf dieses Thema macht Katharina in ihrem Manifest aufmerksam und macht deutlich, welche Folgen die männliche Sicht auf die Geburt für Mutter und Kind haben. 
  • PinkStinks
    Auch nicht neu und trotzdem wichtiger denn je. Insbesondere die Möglichkeit, sexistische Werbung zu melden und so darauf aufmerksam zu machen, was nicht geht und „Schule gegen Sexismus“ finde ich großartige Projekte.
  • Beklaute Frauen von Leonie Schöler
    Beim Lesen dieses Buches habe ich so viel über die Geschichte der Frauen in unserer Gesellschaft gelernt, dass ich denke, es sollte zur Pflichtlektüre in der Schule werden.

Jetzt bin ich gespannt, wie Du darüber denkst und was Du zur Stärkung der Frauen beiträgst. Hinterlasse mir gerne einen Kommentar.


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Empfohlene Beiträge
Anzeigen von 5 Kommentaren
  • Katharina Tolle
    Antworten

    Liebe Hilke,
    was für ein wunderbarer Artikel! Das Experiment habe ich auch schon gewagt und dann auch mit meiner Mama umgesetzt. Die weicht noch viel krasser einfach immer aus. Jetzt nicht mehr ganz so doll 😀

    Weiter so! Microfeminism wirkt, und es den Kindern vorleben wirkt auch. Und dann wählen wir zusätzlich noch Parteien, die davon überzeugt sind, dass ein Penis nicht bestimmen sollte, welchen Beruf jemand ergreift. Es dauert. Aber es wird. 🙂

  • Anke Stadelbauer
    Antworten

    Liebe Hilke,
    ein wunderbarer Artikel! Danke! Auch ich ärgere mich über die breitbeinigen Männer in der Bahn oder wenn Frauen in der Sprache vergessen werden bzw. das Gendern lächerlich gemacht wird. In meiner Praxisvereinbarung steht inzwischen: „Der Lesbarkeit halber nutze ich die weibliche Form“,. Ich finde nämlich, dass es so rum viel logischer ist, weil im Wort „Klientin“ das Wort „Klient“ steckt und nicht umgekehrt!

    Den Tipp mit den Formularen werde ich umsetzen. Danke, dass du mich da jetzt sensibilisiert hast.
    liebe Grüße, Anke

    • Hilke Barenthien
      Antworten

      Liebe Anke,
      lieben Dank für Deinen Kommentar. Deinen Ansatz in der Praxisvereinbarung finde ich auch super. Stimmt, das ist viel logischer. In der Werbung gibt es auch häufig den Ansatz Frauen in Kampagnen zu nutzen, weil die Chance, dass sich alle Geschlechter angesprochen fühlen, höher sind.
      Herzliche Grüße,
      Hilke

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  • […] eine geplante Besprechung kurzfristig ausgefallen ist, und nutze diese Zeit, um mal wieder einen feministischen Blogtext zu besprechen, den ich kürzlich gefunden habe. Ich muss mich kurz fassen und kann nicht auf alle […]

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