In Einblicke & Ausblicke

Es ist Oktober. Das Jahr hat noch zwei Monate, und trotzdem fühlt sich dieser Artikel schon an wie ein Jahresrückblick. Es ist so unendlich viel passiert. Dabei ist meine Selbstständigkeit ein bisschen auf der Strecke geblieben und mit ihr all die Ideen, was ich dieses Jahr anbieten und bewerben wollte.

Im Sommer ist es bei mir sonst ruhiger. Normalerweise ist das die Zeit, in der ich fürs nächste Jahr plane, aufräume, umsetze und mich sammle.

Dieser Sommer war nicht ruhig. Kein bisschen. Noch nie habe ich im Urlaub so viel gearbeitet. Durch die vorgezogene Bundestagswahl hat sich bei Bündnis 90/Die Grünen in Solingen einiges verschoben, und vieles, was früher geplant war, musste später plötzlich schnell passieren. Also habe ich Flyer und Wahlplakate gestaltet, Druckdaten vorbereitet und es hat riesigen Spaß gemacht.

2025 ist (und war) ein Jahr der Veränderung.
Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass ich es einmal völlig in Ordnung finden würde, mein Gesicht und meinen Namen an einer Straßenlaterne hängen zu sehen, ich hätte laut gelacht. Niemals hätte ich geglaubt, dass das passieren könnte.

Ebenso wenig hätte ich erwartet, dass ich nicht wegen Logos und Flyern angesprochen werde, sondern weil fremde Menschen mit mir etwas teilen, was mir genauso am Herzen liegt wie ihnen: unsere Stadt, unser Land, unsere Zukunft – unser Miteinander.

Dieses Jahr hat mir gezeigt, wie nah Mut und Unsicherheit, Sichtbarkeit und Verletzlichkeit, Privates und Öffentliches beieinanderliegen – und wie sehr sie zusammengehören.
Es hat mich verändert. Und wachsen lassen.

Hier sind die sieben Dinge, die ich 2025 anders gemacht habe – und immer noch anders mache.

Ich warte nicht mehr, bis ich mich bereit fühle.

Kennst du dieses Gefühl, alles im Griff haben zu wollen? Perfekt vorbereitet zu sein, bevor du dich auf etwas Neues einlässt?
Eine großartige Gelegenheit taucht auf und du zögerst, weil du glaubst, noch nicht bereit zu sein?
Selbstzweifel vom Feinsten.

Bei mir kam dieser Moment an einem Abend in einem Vereinsheim eines Solinger Sportvereins: Listenaufstellung für den Bezirk Ohligs/Merscheid/Aufderhöhe.

Vorher hatte es schon Gespräche und Telefonate gegeben, und ich hatte grundsätzlich gesagt, dass ich mir eine Kandidatur für die Bezirksvertretung vorstellen könnte. Mein Gedanke war: ein Platz irgendwo im vorderen Mittelfeld. So, dass ich nicht direkt hineinkomme, sondern erst einmal beobachten und lernen kann.

Dann standen wir an diesem Abend zusammen und überlegten, wer sich für welchen Platz aufstellen lassen könnte.
„Kannst du dir vorstellen, auf Platz 1 zu gehen?“
Die Frage kam für mich völlig überraschend. Mein „Ja“ auch. Auch für mich.

Ja. Es war die Gelegenheit und sie war genau jetzt da. Die nächste würde erst in fünf Jahren kommen, bei der nächsten Kommunalwahl.

In diesem Moment ist mir eines klar geworden:
Bereit zu sein ist kein Zustand. Es ist eine Entscheidung.
Den Rest lerne ich im Tun, im Zweifeln, im Scheitern und im Machen.

Ich halte es aus, sichtbar zu sein.

Es war ein heißer Tag im Juni, als wir erst in der Ohligser Heide und dann im Studio mit Kathrin und Betty Fotos gemacht haben. Die Bilder sollten nahbar und seriös werden und wochenlang an den Laternen unserer Stadt hängen.

Eigentlich war uns allen nach Badesachen zumute, aber „ordentliche Klamotten“ waren angesagt. Wir sind buchstäblich zerflossen. Dank der beiden Fotografinnen, und der Unterstützung der anderen Grünen, sind am Ende großartige Fotos entstanden. Von allen.

Der erste Schritt war geschafft. Das komische Gefühl blieb:

„Dieses Foto wird dir überall im Stadtteil begegnen.
Menschen werden dich erkennen.
Du wirst plötzlich sichtbar.“

Wir waren im Urlaub, als die Plakate aufgehängt wurden. Zuerst habe ich sie nur auf Fotos gesehen und gedacht, dass es irgendwie weit weg ist. Dann kamen wir zurück, fuhren von der Autobahn runter durch Ohligs.

Und da hingen sie. Gleich mehrfach. Ich spürte kurz dieses Ziehen im Bauch … und dann etwas anderes: Ruhe.
Es war in Ordnung. Und ich war ein bisschen stolz.

Außerdem mag ich dieses Foto wirklich sehr.

Ich sage meine Meinung, auch wenn andere das doof finden.

Wie oft habe ich früher Dinge geschluckt, die mir nicht in den Kram passten – aus Rücksicht oder aus Sorge, dadurch unbeliebt zu werden. Doch Schweigen verändert nichts.

Demonstrieren oder Spenden schon eher. Wertschätzend, sachlich und ruhig zu widersprechen hat den größten Effekt.

Das Schöne an einer Demokratie ist, dass alle (die AfD und ähnliche Organisationen klammere ich hier bewusst aus) im Kern gute Lösungen wollen, nur auf unterschiedlichen Wegen. Bei manchen Themen findet man schnell zusammen, bei anderen dauert es länger. Und manchmal braucht es neue Zeiten und neue Menschen, bis sich etwas bewegt.

Aber genau das ist der Punkt: Bewegung entsteht nur, wenn jemand den Mund aufmacht.

Ich vertraue meiner Stimme.

Eines der schlimmsten Erlebnisse meiner Schulzeit war ein Referat im Deutschunterricht. Ich war super vorbereitet und überzeugt, dass es gut werden würde. Doch an dem Morgen wachte ich mit einer beginnenden Erkältung auf und sie hatte mir genau das genommen, was ich brauchte: meine Stimme.

Statt laut und deutlich zu sprechen, kam nur ein leises, brüchiges Flüstern. Es brachte mir nicht nur eine schlechte Note ein, sondern auch das Gefühl, zu leise zu sein, um gehört zu werden.

Lange habe ich geglaubt, dass Lautstärke gleichbedeutend mit Wirkung ist. Aber das stimmt nicht. Es geht nicht darum, laut zu sein – sondern darum, etwas zu sagen, das Gewicht hat.

Und das Erstaunliche ist: Seit ich das verstanden habe, wird meine Stimme automatisch lauter.

Ich nehme mir bewusst Pausen.

Gar nicht so einfach, wenn die To-do-Liste immer länger wird, obwohl man den ganzen Tag beschäftigt ist. Ich neige dazu, gerade dann besonders produktiv zu werden, wenn ich ohnehin schon unter Strom stehe, was auf Dauer nicht hilfreich ist. Irgendwann kommt der Punkt, an dem einfach gar nichts mehr geht.

Wir kamen aus dem Urlaub zurück und der Wahlkampf war schon in vollem Gange. Wer auch immer die Idee hatte, einen Sommerwahlkampf in den Ferien zu machen: es war keine gute. Den Bundestagswahlkampf bei Minusgraden fand ich schon hart, aber immerhin war damals niemand im Urlaub.

Wahlkampf heißt:
Samstagmorgen um acht den Bollerwagen aus dem Keller holen, beladen, in die Fußgängerzone ziehen. Pavillon aufbauen, Flyer und Banner dekorieren. Und irgendwann zwischen eins und drei alles wieder abbauen und zurückbringen.
Dazwischen: reden, zuhören, aushalten. Mit Bekannten, mit Fremden, mit Menschen, die einfach nur loswerden wollen, was sie schon lange beschäftigt.

Ich mag das. Es ist einer der Gründe, warum ich in die Politik gegangen bin: Menschen treffen, mit ihnen sprechen, zuhören, Lösungen suchen.
Aber danach bin ich durch, meist sehr hungrig, und mein Akku für soziale Kontakte ist leer.

Im Bundestagswahlkampf war ich noch so naiv, mir danach Verabredungen einzutragen. Das mache ich heute nicht mehr. Ich brauche danach zwei, manchmal drei Stunden Pause, bevor ich wieder Gesellschaft ertrage – auch im Interesse der anderen.

Und es sind ja nicht nur die Wahlstände. Es kommen Veranstaltungen, Sitzungen, Podiumsdiskussionen dazu – oft abends, nach langen Tagen. Für jemanden, die normalerweise um halb sechs aufsteht, ist das eine Herausforderung.

Heute mache ich das anders. Wenn ich abends lange unterwegs bin, starte ich morgens später. Oder ich lege mittags bewusst eine Pause ein.

Denn eines habe ich gelernt:
Man kann besser für andere da sein, wenn man zuerst für sich selbst sorgt.

Ich sehe Fehler als Teil des Weges.

Wenn wir als Kinder mit unseren Eltern wandern waren, hatte mein Vater eine Lieblingsaussage:

„Wir nehmen den kürzesten Umweg.“

Für mich war das immer die charmante Umschreibung für:

„Wir haben uns gnadenlos verlaufen und ich habe keine Ahnung, wo wir sind.“

Er streitet das bis heute ab.

Aber ich habe daraus etwas gelernt: Der Weg ist manchmal wirklich das Ziel. Fehler führen dazu, dass man Dinge sieht und versteht, die man sonst nie entdeckt hätte.

Beim Wandern sind das versteckte Pfade, Ausblicke und Orte, an die man ohne Umwege nie gekommen wäre. Im Leben und in der Arbeit sind es Erkenntnisse, Begegnungen und Erfahrungen, die einen wachsen lassen.

Natürlich macht es keinen Sinn, alle Fehler mitzunehmen aber manche sind unvermeidlich. Und viele davon lehren uns mehr, als jeder geradlinige Erfolg es je könnte.

Niemand ist perfekt.
Und das ist gut so.

Ich habe verstanden, dass Haltung ansteckend ist.

Einfach mal laut zu denken und vor sich hin zu spinnen, kann erstaunliche Effekte haben. Plötzlich denken andere mit, sagen aus, was sie sich sonst nicht trauen würden – und es entstehen Lösungen, an die vorher niemand gedacht hat.

Gemeinsam lässt sich so viel mehr erreichen. Denn jede Idee, die ausgesprochen wird, kann etwas bewegen: im Kopf, im Gespräch, manchmal sogar in einer ganzen Gruppe.

Neue Perspektiven in Gespräche einzubringen hilft, umzudenken. Bei anderen. Und auch bei mir selbst.

Mein persönliches Fazit

Es ist Oktober. Das Jahr neigt sich dem Ende zu und es fühlt sich tatsächlich ein bisschen an wie ein Rückblick. Nur anders. Denn diesmal sehe ich nicht, was ich nicht geschafft habe, sondern was ich gelernt habe.

Die Ereignisse dieses Jahres haben mich mutiger gemacht. Sie haben mir gezeigt, dass Sichtbarkeit nicht weh tut und dass es etwas bewirkt, wenn Frau zu ihrer Meinung steht. Ich habe gelernt, dass Mut und Unsicherheit zusammengehören, dass sich Haltung leise zeigen darf und dass jede Veränderung im Kleinen beginnt: mit Gesten, Aussagen, Entscheidungen und den ersten Schritten.

Wir können nur gemeinsam etwas erreichen – für unsere Stadt, unser Land, unseren Planeten.
Für uns.
Für unsere Kinder.
Und für unsere Enkel.

2025 war für mich das Jahr, in dem ich aufgehört habe, auf den richtigen Moment zu warten und angefangen habe, ihn selbst zu gestalten.

Ein herzlicher Dank an Kathrin (https://www.kathrinfotografiert.de) und Betty (https://farbhase.de) für die grandiosen Bilder, die uns sicher noch eine Weile begleiten werden bis es Zeit für neue ist. Und für Eure Unterstützung im Wahlkampf.

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